Die wundersame Geschichte von September, die unter das Feenland fiel und mit den Schatten tanzte (German Edition) by Valente Catherynne M

Die wundersame Geschichte von September, die unter das Feenland fiel und mit den Schatten tanzte (German Edition) by Valente Catherynne M

Autor:Valente, Catherynne M. [Valente, Catherynne M.]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783644524910
Herausgeber: Rowohlt E-Book
veröffentlicht: 2014-08-31T22:00:00+00:00


Kapitel XI

Suchende Physik

Worin September einen eigenen Plan entwickelt, ein Mädchen nach einem Prinzen befragt, eine Vorlesung über eine äußerst ungewöhnliche Wissenschaft hört und lernt, was doch jeder weiß

D

er Kristallmond warf eine geisterhafte VII auf die Stadtmauern von Tain. Schatten schliefen in Brunnen oder wie hingegossen über Statuen namenloser alter Könige und Königinnen des Unterfeenlands. Im Schwebsteinpavillon stand ein ernst dreinblickender Mann aus grünem Marmor mit einer Waage in einer Hand. Auf der einen Kupferplatte der Waage lag eine Feder, auf der anderen lagen die Schatten mehrerer Klabautermänner und Peris. Ein Zentaurenmädchen, alle vier Beine unter den Körper gezogen, döste unter der beschwörenden Geste eines trauernden Alabastermanns, der eine Leier auf dem Rücken trug. Ballons schwebten immer noch gespenstisch durch die Straßen. Sie waren jetzt auf der Jagd nach ihren eigenen Abenteuern. Der Geruch von abgebranntem Feuerwerk hing in der Luft. Reste des köstlichen Festmahls rutschten und tröpfelten von den Tischen, angeschubst von dem Wind, der von den Zwillingsflüssen herwehte.

September lag behaglich in einem Marmorkorb, der von einer dunklen Steinstatue gehalten wurde – einer Dame mit verschlagenem Blick, die riesige Granatäpfel in ihren dicken Haaren trug. Samstag schlief zusammengerollt neben September. Aubergine hockte schlafend zu den nackten Füßen der Statue. A-bis-L hatte seinen Schwanz um sie alle geschlungen.

September wachte als Erste auf. Die ganze Stadt schnarchte. September lag wach, schaute zu den matten Sternen und den schwankenden Turmspitzen.

Nichts war richtig nach Plan verlaufen. Vielleicht hätte die Willensmagie funktioniert, wenn September nicht solches Mitleid mit ihrem Schatten gehabt hätte. Aber jetzt … jetzt musste sie sich etwas anderes einfallen lassen. Etwas, das schräg, von der Seite und auf dem Kopf war, wie der Herzog gesagt hatte. September betrachtete die schlafenden Schatten von Samstag und A-bis-L. Waren sie ihre Freunde oder Halloweens? Ihr Samstag hätte sie vor der Welt beschützt, aber die Schatten waren eigentlich Fremde. Andere Wesen, wenn auch in der gleichen Gestalt und mit denselben Namen. Ihr Samstag hätte ihr nie den ersten Kuss geraubt, ohne auch nur Dankeschön zu sagen; hätte sie nie gegen ihren Willen in eine Fee verwandelt. Aber konnte sie da so sicher sein? Einige Seiten des Schatten-Samstags mussten in dem richtigen Samstag weiterleben, ebenso wie sie Spuren ihres lieben Freundes in dem Lausebengel neben sich erkannte.

Auf einmal kam September sich sehr verschwiegen vor. Dem weinroten Mantel gefiel das. Er umhüllte sie enger, als wollte er sagen: Genau, sag niemandem etwas. Hier ist es nicht sicher. Wenn niemand sie beschützte, musste sie eben selbst auf sich aufpassen. Ein Plan spitzte in ihrem Innern die Ohren, ganz leicht zunächst, doch dann wurde er immer gewichtiger.

Leise, ohne den Marid zu wecken, setzte September sich auf. Vorsichtig stieg sie aus dem Korb und kletterte die Statue hinunter. Sie landete leicht auf einer schwebenden Scherbe aus reifbedecktem orangerosa Fels im Schwebsteinpavillon. Noch mehr Scherben schwebten um sie herum, und das sah sehr merkwürdig aus, als wären sie schlafende Vögel, die auf den Sonnenschein warteten, um ihre Träume abzuschütteln. Im kalten Morgen der Stadt kniete sie sich am Fuß der waldgrünen Statue hin und rüttelte den Nachtdodo wach.



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